
Weinen
Der französische Schriftsteller Alfred de Vigny (1797-1863) schrieb in seinem Gedicht „Der Tod des Wolfes“ („La mort du loup“): „Jammern, weinen, beten ist gleichermaßen feige.“
Stimmt das? Ist Weinen ein Zeichen von Schwäche? Nein, im Gegenteil: Indem wir weinen, verarbeiten wir Trauer und seelischen Schmerz. Wer weint, drückt damit aus, dass er Trost benötigt, oder er zeigt damit, dass er mit einem anderen Menschen mitleidet.
Auch Jesus weinte. Er tat das „mit den Weinenden“ am Grab seines Freundes Lazarus. Dorthin waren viele gekommen, um Lazarus‘ Schwestern Maria und Martha zu trösten (Römer 12,15). Ein anderes Mal weinte Jesus über Jerusalem - weil Er wusste, was den Einwohnern bevorstand, wenn die Stadt im Jahr 70 n. Chr. zerstört werden würde (s. Lukas 19,41.42).
Viele weitere Textstellen aus den Berichten über das Leben Jesu zeigen, dass Er voller Mitgefühl war, wenn Er schweren Schicksalen begegnete. Es heißt dann, dass Er „innerlich bewegt“ war (z. B. Matthäus 9,36; 14,14; 15,32; 20,34). Jesus sieht nicht nur unseren Kummer, sondern Er fühlt auch tief mit uns, wenn wir leiden, wenn wir uns elend fühlen, wenn wir trauern oder in Not sind. Wer im Gebet vor Gott weint, schickt damit einen stummen Hilferuf zu dem „Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes“. Und wer Gottes Trost erfahren hat, ist dann auch besser in der Lage, andere zu trösten (s. 2. Korinther 1,3.4). Weinen ist ganz und gar nicht feige!